13. 11. 2022, 19 Uhr

Janáček-Theater, Nationaltheater Brno (NdB)

Autor: Leoš Janáček

Dirigent: Tomáš Netopil

Regie: Tatjana Gürbaca

Ensemble: Grand Théâtre de Genève

Orchestre de la Suisse Romande

Dramaturgische Einführug: 18:15, Foyer des Janáček-Theater

Die Aufführung dauert 105 Minuten und es gibt keine Pause.

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1.Akt

Der junge Lehrer Kudrjasch bewundert die Aussicht über die weite Landschaft und die Wolga. Der ruhige Nachmittag wird von einer zornigen Auseinandersetzung des Händlers Dikoi mit seinem Neff en Boris unterbrochen. Kudrjasch fragt sich, warum Boris die Grobheiten seines Onkels immer erträgt. Boris gesteht, dass er in Kalinow unglücklich ist, aber keine andere Wahl hat: Damit ihm und seiner Schwester die Erbschaft von seiner Oma zukommt, muss er dem letzten Willen gemäß mit dem Onkel leben und alle Kränkungen erdulden, bis er und seine Schwester die Volljährigkeit erreicht haben. Sein Unglück wird noch von einer hoffnungslosen Liebe zu einer verheirateten Frau – Katherina Kabanowa – gesteigert. Auch Katja ist in ihrer Ehe unglücklich. Sie ist in einer liebevollen Familie aufgewachsen, und nun hat sie einen Schwächling und Trinker als Mann und dazu eine despotische Schwiegermutter Kabanicha, die unbarmherzig über die Familie herrscht und Katja hasst, weil sie auf Tichons Liebe zu seiner jungen Frau eifersüchtig ist. Jetzt befiehlt sie ihrem Sohn, noch an demselben Tag zum Markt nach Kasan zu fahren, und hält ihm mangelnde Sohnesliebe und Folgsamkeit vor. Abends im Haus der Kabanows. Katja und Warwara sticken und Katja erinnert sich an glückliche Jugendtage. Sie off enbart, dass sie sich heimlich verliebt hat, und die leichtsinnige Warwara erbietet sich als Vermittlerin. Tichon kommt, um sich von seiner Frau zu verabschieden. Katja beschwört ihn, sie mitzunehmen oder mindestens mit einem Schwur zu binden. Tichon versteht nicht und lehnt beides ab. Kabanicha beobachtet ihren Abschied, und auf ihre Weisung erniedrigt Tichon Katja mit herabwürdigenden Ermahnungen.

 

2.Akt

Kabanicha wirft Katja vor, dass sie wenig über Tichons Abreise trauert. Warwara bringt einen Schlüssel vom Gartentor, den sie Kabanicha nahm, damit sie zum Rendezvous mit Kudrjasch hinaus kann. Katja wehrt sich, schließlich nimmt sie den Schlüssel an. Zu Kabanicha kommt der betrunkene Dikoi und bettelt um ihre Gunst. An der Schlucht hinter Kabanows Garten treff en sich Warwara und Kudrjasch. Auf Warwaras Einladung kommt auch Boris. Katja bemüht sich, ihre Sehnsucht nach Boris zu überwinden, aber schließlich fällt sie ihm in die Arme.

 

3.Akt

Über dem Städtchen bricht ein heftiger Sturm los. Die Leute suchen in einem halb eingerissenen, ausgebrannten Kloster Schutz. Kudrjasch nutzt die Gelegenheit und versucht, Dikoi für seine Idee zu gewinnen, Blitzableiter in der Stadt einzuführen. Aber für Dikoi ist das Gewitter ein Zeichen für Gottes Zorn, und er weist Kudrjaschs Vorschläge mit Beschimpfungen zurück. Warwara sucht Boris. Sie erzählt ihm, dass Katja sich seit Tichons Rückkehr wie von Sinnen benimmt. Auch die Kabanows suchen in der Ruine Unterschlupf. Katja, vom Gewitter verstört, bekennt sich vor allen zu ihrer Untreue mit Boris. Kabanicha triumphiert. Tichon will Katja verzeihen, aber sie flieht. Die Magd Glascha und Tichon suchen vergeblich nach Katja. Warwara ist entschlossen, ihr Geburtshaus zu verlassen und verabredet mit Kudrjasch die Flucht nach Moskau. An das Wolga -Ufer kommt Katja, die ahnt, dass der Tod die einzige Befreiung von dem unerträglichen Leben bei den Kabanows ist. Sie möchte sich nur noch von Boris verabschieden. Dieser kommt mit der Nachricht, dass der Onkel ihn in Geschäftsangelegenheiten nach Sibirien schickt. Nach seinem Fortgehen stürzt sich Katja in die tiefen Wogen der Wolga.

Inszenierungsteam:

Regie: Tatjana Gürbaca

Bühnenbild: Henrik Ahr

Lichtdesign: Stefan Bolliger

Kostüme: Barbara Drosihn

 

Besetzung:

Katya Kabanova: Corinne Winters

Tichon Ivanych Kabanov: Magnus Vigilius

Savjol Prokofievich Dikoy: Tomas Tomasson

Boris Grigorievich: Aleš Briscein

Marfa Ignatievna Kabanova: Elena Zhidkova

Vanya Kudryash: Sam Furness

Varvara: Ena Pongrac

Kuligin:  Vladimir Kazakov

Glaša: Mi Young Kim

Fekluša: Natalia Ruda

Une femme du peuple: Mi Young Kim

Un homme: Natalia Ruda

Zum ersten Mal überhaupt wird beim Festival Janáček Brno das Ensemble des schweizerischen Grand Théâtre de Genève, einer Bühne mit einer langen und reichen Tradition, zu erleben sein. Zusammen mit diesem Ensemble präsentiert sich mit einer ganz neuen Inszenierung die deutsche Regisseurin Tatjana Gürbaca, die in den letzten Jahren zu den unübersehbaren Persönlichkeiten der Opernwelt gehörte. Zu den größten Erfolgen ihrer Karriere zählen zum Beispiel Wagners Ring des Nibelungen für das Theater an der Wien (2017) oder Parsifal für die Opera Vlaanderen. Auch mit Opern tschechischer Autoren hat die Regisseurin mit ihrer geschliffenen Handschrift bereits Erfahrungen gesammelt – im Jahr 2020 studierte sie bei der English National Opera Dvořáks Rusalka ein, und mit dem Genfer Ensemble bereitet sie für das Frühjahr 2022 in einer Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein auch Janáčeks Jenůfa vor. Für die musikalische Einstudierung zeichnet Tomáš Netopil verantwortlich, einer der besten tschechischen Dirigenten der Gegenwart, der sich auf unserem Festival bereits 2018 mit Janáčeks Sache Makropulos präsentieren konnte. Bei Katja Kabanowa wird das ausgezeichnete Orchestre de la Suisse Romande zu hören sein, das mit der Genfer Oper regelmäßig zusammenarbeitet. Neben der Prager Inszenierung von Bieitos Katja Kabanowa wartet auf die Festivalbesucher damit eine weitere herausragende Aufführung dieser wunderschönen Oper.

Janáčeks Lebensweg als Komponist war alles anderes als traditionell, und so kann es auch nicht überraschen, dass er sich erst im reifen Alter von fast fünfzig Jahren mit dem ersten seiner vier großen Opernwerke zu befassen begann. Die Umstände waren dafür überaus günstig. Dank der Prager und der Wiener Aufführung von Jenůfa war ihm endlich die verdiente Anerkennung nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf der internationalen Bühne zuteil geworden. Und in sein Leben war eine neue Frau getreten – bei einem Aufenthalt in Luhačovice im Sommer 1917 hatte er Kamila Stösslová kennen gelernt, eine attraktive junge Dame, die ihm bis zu seinem Tod eine nie versiegende Inspirationsquelle sein sollte. Die Suche nach einem Sujet für die neue Oper führte ihn  diesmal zur russischen Literatur, und es kann kaum erstaunen, dass ihn gerade die Geschichte von Katja Kabanowa, der Heldin des Dramas Gewitter von Alexander Nikolajewitsch Ostrowski, ansprach. So kehrte er denn zu großen Frauenfiguren und ihren tragischen Schicksalen zurück, die er so meisterhaft bereits in Jenůfa und Schicksal geschildert hatte. Nach ernüchternden Erfahrungen mit den Librettisten bei der Entstehung der Ausflüge des Herrn Brouček beschloss er, das Libretto aus der tschechischen Übersetzung des Stückes selbst zu verfassen, was ihm bereits bei Jenůfa zum Erfolg verholfen hatte. Die umfangreiche Handlung des Theaterstücks, die in weiten Teilen die Politik und den moralischen Verfall in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zum Thema hat, komprimierte er deutlich und reduzierte dabei auch die Zahl der auftretenden Personen. Im Zentrum stand nun die unglücklich verheiratete Katja, die in die Welt der Fantasie entflieht, bevor die Heuchelei und der Druck der Gesellschaft sie in ihren tragischen Tod treiben. So schuf Janáček ein sehr intimes Drama, wo zwei Welten einander in schroffem Kontrast gegenüberstehen – einerseits die Traumwelt Katjas, andererseits die harte und derbe Welt der Kabanicha und des willensschwachen Tichon, in der nur an wenigen Stellen der unbezwingbare Optimismus und die Heiterkeit der jungen Warwara aufscheinen. 

Nach den Erfahrungen mit der Aufführung der Ausflüge des Herrn Brouček wählte Janáček für die Premiere das Brünner Nationaltheater. Katja Kabanowa wurde hier erstmals am 23. November 1921 im Theater auf den Schanzen (dem heutigen Mahen-Theater) gespielt und fand so großen Anklang, dass die Oper schon im darauffolgenden Jahr auch in Prag und im Ausland aufgeführt wurde. Janáček kehrte einige Jahre später noch einmal aus ganz praktischen Gründen zu dem Werk zurück – um einen fließenden Übergang zwischen den Bildern des 1. und des 2. Akts zu erreichen, musste der Umbau der Bühne musikalisch überbrückt werden. Diese Pausenmusik erklang erstmals bei einer Aufführung im Jahr 1928. Diese Vorstellung von Katja Kabanowa sollte die letzte Aufführung eines seiner Werke werden, die der Komponist vor seinem unerwarteten Tod im August 1928 noch auf der Bühne erleben konnte.   

Patricie Částková

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